Ein Tag mit Klaus Hankel: Lebenswerk aus Maschen
29. März 2019

Klaus Hankels Beruf ist heute fast verschwunden, doch der frühere Netzmacher hat ihn rechtzeitig zur Berufung gemacht. Der 76-jährige Cuxhavener knüpft und flickt schon sein Leben lang Netze, wenn auch mittlerweile im Museum. Der Alte Fischereihafen ist für ihn ein Ort der Erinnerungen – und der guten Traditionen.

Wer mit Klaus Hankel am Hafenbecken entlangfährt, reist parallel in die Vergangenheit. „Das war die Schmiede“, sagt Hankel und deutet auf einen flachen, roten Backsteinbau. Eisenlager, Tischlerei, Korbmacher, zählt er auf, Zimmerei. Den Kohlehaufen gibt es nur noch in seiner Erinnerung. Dann hält der Wagen vor der früheren Netzhalle, die vor langer Zeit sein erster Arbeitsplatz war.

„Das ist sozusagen die alte Heimat. Das vergisst man nicht“, sagt Hankel. Hinter der Fassade aus leuchtend roten Klinkersteinen und weißem Fachwerk hatte er 1957 seinen ersten Ausbildungstag – als junger Mann von grad mal 14 Jahren. Heute steht die Netzhalle leer. Durch die Dachfenster fällt trotz des grauen Himmels viel Licht auf den dunklen, gepflasterten Boden. Eine breite Galerie umläuft den Raum, eierschalenfarbene Holzpaneele, an den Giebelseiten winden sich Treppen nach oben: Dort lag der Arbeitsplatz der Netzmacherinnen und Netzmacher.

Hankel führt in einen kleinen Arbeitsraum auf der Längsseite der Galerie, durch milchige Fenster schaut man in die Halle. „Hier hatte ich meinen ersten Arbeitstag“, sagt Hankel „zusammen mit den neuen Lehrlingen Ernst und Jürgen“. Verschmitzt blickt er sich in der Halle um – ein schlanker, älterer Herr, Brille, Pullunder über hellblauem Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Zehn Jahre schaffte er Tag für Tag in der Netzhalle, erst oben bei den Netzmachern, dann unten in der Taklerei. Dort überprüfte und erneuerte er die starken Seile der Fischdampfer, bevor sie wieder zur Fangfahrt ausliefen.

Frische Brötchen am Seemannssonntag

Auch er selbst war mal mit auf hoher See: Das sei im dritten Lehrjahr Pflicht gewesen für werdende Netzmacher und Takler, erzählt Hankel. Er sei mit einem Fischdampfer Richtung Ärmelkanal aufgebrochen – und kaum an Bord schon seekrank geworden. Den Rest des Tages habe er in der Koje verbracht – ohne Abendessen – und die Nacht durchgeschlafen. „Am nächsten Morgen war alles verflogen“, sagt Hankel. „Es ging mir gut, aber ich hatte einen Mordskohldampf.“ Da stieg ihm der Duft frischer Brötchen in die Nase – „das ganze Schiff roch danach. Ich frag also den Koch: Backst du immer Brötchen, wenn ihr Gäste an Bord habt? Und er sagt: Nein, die back ich nur sonntags.“ Die Pointe – die Hankel für Landratten gerne erklärt: Der Sonntag war natürlich der „Seemannssonntag“, bis heute ein traditioneller Anlass für einen Festschmaus bei Seeleuten, der allerdings paradoxerweise auf einen Donnerstag fällt.

Es ist nicht die einzige Anekdote dieser Art, die Klaus Hankel zu erzählen weiß: Er hat seine Lebenserfahrung nach und nach in Geschichten und Geschichte überführt. Bis 1967 arbeitete er in der Netzhalle am heutigen AFH, dann musste das Unternehmen umziehen, da die neuen, größeren Schiffe nicht mehr in das Hafenbecken passten.

Ich wünsche mir für Cuxhaven, dass man aus diesem Hafen wieder was Schönes macht.

Klaus Hankel

Dass Teile des Hafens lange leer standen, stört ihn dann doch: „Der Hafen sah früher gepflegter aus“, sagt Hankel: „Ich wünsche mir für Cuxhaven, dass man aus diesem Hafen wieder was Schönes macht.“ Auch für die Netzhalle hat er Wünsche: „Die Halle sollte soweit wiederhergestellt werden, dass man darin Versammlungen oder Ausstellungen machen könnte. Etwas für die Menschen. Dann kommt sie weiter zu Ehren.“

Ein Teil des Interieurs hat zumindest schon ein neues Zuhause: Ein Waschbecken aus dem Arbeitsraum der Netzmacher und eine Maschine der Segelmacher stehen heute im Fischereimuseum Windstärke 10. Dort arbeitet Netz-Experte Hankel einmal pro Woche und lebt seine Berufung in einer Schauwerkstatt vor. Hier kann man einiges über das Handwerk lernen: Welche Knoten gibt es? Aus welchen Teilen besteht ein großes Fischfangnetz? Wie unterscheidet sich ein handgeknotetes von einem industriell gefertigten Netz?

Klaus Hankel an seinem Arbeitsplatz im Museum

Die Regeln des traditionellen Netzstrickens

Dass er sein Handwerk noch beherrscht, demonstriert Klaus Hankel gern: Mit Messer und Netznadel - die aussieht wie eine lange, hölzerne Spindel – macht er sich ans Werk, zieht die Nadel gekonnt durch die groben Maschen und hört nicht auf, bevor er ein Loch im Netz geschlossen hat. Begleitet wird die Demonstration von den Regeln des traditionellen Netzstrickens: „Wenn man irgendwo was durchgesteckt hat, gibt’s immer‘n Knoten!“

Insgesamt 48 Jahre hat Hankel in seinem Beruf gearbeitet. „Musste ich, sonst hätte mich doch das Museum nicht genommen“, scherzt er. Seit vierzehn Jahren ist der Netzmacher eigentlich im Ruhestand – außer an einem Tag in der Woche, wenn er im Museum die Taue und Netze bearbeitet. Auf eigenen Wunsch immer donnerstags, am Seemannssonntag.

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