Geschichte

Von Dampfschiffen
und Hochseefischern

Mit dem Zeitalter der Dampfschiffe beginnt in Cuxhaven eine Erfolgsgeschichte: Aus einem Nothafen Nahe der Elbmündung wächst einer der wichtigsten Fischereihäfen Deutschlands. Im Takt der Eilzüge löschen Hochseefischer ihre Ladung, Händler feilschen um die beste Ware – und verschicken sie auf Straße und Schiene bis nach Übersee. Ein Blick in die maritime Geschichte des Alten Fischereihafens, die bis heute Land und Leute prägt.

1500 – 1850er

Für Fischer in Not:
Der erste Hafen

Seit Jahrhunderten wird an der Nordseeküste gefischt. Für die Segelboote der Fischer entsteht schon im 16. Jahrhundert Nahe der Flussmündung ein Nothafen. Vor allem aus den Dörfern Blankenese und Finkenwerder – heute Stadtteile von Hamburg – segeln die Fischer die Elbe hinauf, um Hering und andere Meeresbewohner in ihre Netze zu locken. Ihren Fang transportierten sie zu den Hamburger Fischmärkten.

1850er – 1900

Von Kühlkammern
und Dampfschiff-Pionieren

Erst im Zeitalter der Industrialisierung wird Fischerei zum wirklich lukrativen Geschäft. Weil das heutige Cuxhaven sowohl an der Elbe als auch nah an den reichen Fanggründen der Nordsee liegt, konkretisieren sich Mitte des 19. Jahrhunderts die Pläne für einen Fischereihafen. Außerdem steht seit kurzem eine Eisenbahnverbindung nach Hamburg – und damit die Möglichkeit, größere Mengen Ware ins Inland zu transportieren.

Die entscheidende Entwicklung für die deutsche Hochseefischerei findet jedoch einige Kilometer weiter östlich statt: Im nahegelegenen Bremerhaven sticht 1886 der erste Fischdampfer Deutschlands in See. Die „Sagitta“ nutzte als erstes Fangschiff Dampfkraft für den Antrieb sowie zum Schleppen eines Netzes.

Auch der Cuxhavener Fischhändler Dohrmann sieht eine Chance in dem neuen Fischereizweig. Mit mehreren Unterstützern lässt er 1891 den Fischdampfer „Cuxhaven“ bauen. Doch das Investment scheitert: Ein Schiff allein genügt nicht, um einen Fischmarkt regelmäßig zu beliefern. Eine Zeit lang bringt der Dampfer seine Fänge auf den Markt nach Altona, aber schon nach einigen Monaten verkauft Dohrmann das Schiff wieder.

1900 – 1918

Millionen für die
Hochseefischerei

Die Dampfschiff-Pioniere waren zwei Jahrzehnte zu früh: Erst nach der Jahrhundertwende werden im damals noch zu Hamburg gehörenden Cuxhaven große Pläne Wirklichkeit. Rund 1,5 Millionen Mark kostet der Ausbau zum Hochseehafen. Das Hafenbecken wird vertieft, außerdem werden zwei Packhallen gebaut.

Im Februar 1908 nimmt die Reederei Cuxhavener Hochseefischerei ihren Betrieb auf – mit 13 Fischdampfern statt einer „Cuxhaven“. Kurz darauf findet auf dem neu eröffneten Seefischmarkt die erste Auktion statt.

1918 – 1940er

Fisch sei Dank:
Der Hafen wächst

Rund um das Hafenbecken wächst die Fischindustrie: Reparaturwerkstätten und Netzfabriken entstehen, Lieferanten und Handelsbetriebe – und essentielle Infrastruktur wie das erste eigene Eiswerk und ein Fischversandbahnhof.

Unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg wird der Hafen wieder erweitert. Aus dieser Zeit stammt die noch heute sichtbare Struktur des Alten Fischereihafens: Auf der östlichen Hafenseite liegen die Auktions- und Packhallen. Hier wird die Ladung gelöscht und der Fisch am nächsten Morgen versteigert. Hinter den Hallen schließen sich Verarbeiter, Zulieferer und Großhändler an sowie der erweiterte Versandbahnhof. Am Ausrüsterkai auf der anderen Seite des Hafenbeckens liegen die Netzhalle und das Eiswerk sowie Nachschub an Proviant, Kohle und Wasser.

1900 – 1940er

Arbeit im Takt
der Eilzüge

Wurden im Gründungsjahr des Hafens noch rund 3500 Tonnen Fisch angelandet, waren es Anfang der 1930er Jahre schon etwa 100.000 Tonnen im Jahr. Fisch aus Cuxhaven ist in ganz Deutschland bekannt.

Im Jahr 1935 eröffnet der neue Fischversandbahnhof, zu dieser Zeit der größte Europas. Im Takt der Eilzüge verschicken Spediteure den frischen Fisch: In acht Stunden nach Köln oder in zehn nach Berlin, bis nach München ist der Transport im isolierten Spezialwagon nur 18 Stunden unterwegs.

Noch vor dem zweiten Weltkrieg zeigt sich: Langfristig genügt auch die Kapazität des erweiterten Hafens nicht. Unterhalb des benachbarten Auswandererhafens wird mit dem Bau des Neuen Fischereihafens begonnen. Die Ausbaupläne kommen mit Kriegsausbruch zum Erliegen: Die Marine nutzt den Hafen, Fischdampfer werden als Vorpostenboote eingesetzt. Der Fischfang beschränkt sich auf die Küstenfischerei.

1940er – 1960er

Fisch für Deutschland,
Europa und die Welt

Nach dem Krieg kommt die Hochseefischerei langsam wieder in Gang. Während die Häfen in Hamburg und Bremerhaven im Krieg schwer zerstört werden, bleibt Cuxhavens Fischereiwirtschaft weitgehend verschont. Anfang der Fünfziger ist rund um den Alten und Neuen Fischereihafen ein wirtschaftliches Ökosystem entstanden, das 7000 Menschen Arbeit gibt.

In dieser Zeit verkaufen 72 Seefisch- und Heringsgroßhandlungen Meerestiere ins ganze Land. 26 Fischindustriebetriebe produzieren Konserven, Marinaden, Räucherfisch, Salzfisch in Öl oder Anchovis. Dazu kommen acht Krabbenbetriebe und vier Fischmehlfabriken, zwei Eiswerke, Schiffs- und Bootswerften, Kisten- Fass- und Dosenfabrikanten, Essigfabrik, Kohlen- und Heizöllager, Speditionen.

1960er – heute

Cuxhaven:
Im Herzen Fischereihafen

In den 1950er Jahren wird Cuxhaven zu einem der wichtigsten Standorte der Fischindustrie in Deutschland. Allerdings zeigen sich schon in dieser Zeit weltweit die Probleme der Überfischung. Seit den 1970ern wird Fischfang durch Fangquoten und internationales Recht beschränkt. In der Folge geht die wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei in Cuxhaven deutlich zurück.

Bis heute ist die Fischereitradition in Cuxhaven lebendig: Von der Schleuse aus kann man große Trawler und Fischkutter beobachten, die in Cuxhaven ablegen. Es existieren noch etwa 35 Fischverarbeitungsbetrieb mit mehr als 1000 Beschäftigten

Am Alten Fischereihafen werden heute nur noch Krabben angelandet. Einmal mehr ist es Zeit, dem Ort eine neue Bestimmung zu geben: Mit alter Hafentradition und neuer Liebe.

In eigener Sache

Quellenangaben
und Dank

Wir danken dem Team von Windstärke 10 – Wrack und Fischereimuseum Cuxhaven für die Unterstützung bei der Recherche zu diesem Beitrag sowie dem Stadtarchiv Cuxhaven, Ralf Duderstadt und Thomas Sassen für die Bereitstellung der Fotografien.

Weitere verwendete Quellen:

Baartz, Roland (1991): Entwicklung und Strukturwandel der deutschen Hochseefischerei, unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung für Siedlung, Wirtschaft und Verkehr Cuxhavens. Hamburg.

Borrmann, Hermann (1980): Kurzgefasste Geschichte des Amtes Ritzebüttel und der Stadt Cuxhaven. Cuxhaven.

Ohne Autor (2008): Historie der Fischwirtschaft. In: Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG (2008): 100 Jahre Fischwirtschaft Cuxhaven. Sonderveröffentlichung zum 100jährigen Bestehen der Cuxhavener Fischerei. Cuxhaven: 7-21.

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